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Gedenkveranstaltung zur NS-Befreiung in Meerbusch: Erlebte Geschichte und persönliche Erinnerungen

von Monika Zehmisch

Gedenkveranstaltung zur NS-Befreiung in Meerbusch: Erlebte Geschichte und persönliche Erinnerungen

In der Stadtbibliothek Meerbusch fand am 9. Mai eine Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus in Meerbusch statt, bei der Zeitzeugen von ihren Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges berichteten. Organisiert wurde das Event von der Stadt Meerbusch in Zusammenarbeit mit dem Meerbuscher Kulturkreis, um die Geschehnisse der Kriegsjahre lebendig zu halten und den Wert des Friedens zu betonen.

Das Publikum bestand überwiegend aus älteren Gästen, von denen einige das Ende des Krieges noch selbst erlebt hatten. Es wurde deutlich, wie schwer es heutzutage ist, junge Menschen für dieses wichtige Thema zu interessieren.

Bürgermeister Christian Bommers eröffnete die Veranstaltung und betonte, wie wichtig es sei, das historische Erbe zu bewahren. „Viele Menschen sind sich nicht mehr bewusst, wie viel Arbeit und Opfer es gekostet haben, den Frieden in Europa zu sichern“, sagte er. „Die Zeitzeugen, die ihre Geschichten erzählen, sind ein unschätzbarer Beitrag, damit wir diese Erinnerungen nicht verlieren.“

Dr. Mike Kunze, Vorsitzender des Geschichtsvereins Meerbusch, gab einen kurzen Überblick über das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung des Niederrheins: In der Nacht vom 1. auf den 2. März 1945 kam es in Schiefbahn zu einem letzten Widerstand deutscher Truppen gegen die vorrückenden amerikanischen Soldaten. In Meerbusch war jedoch Osterath der erste Ort, den die amerikanischen Truppen besetzten. Zu dieser Zeit war noch geplant, die Stadt mit dem Volkssturm zu verteidigen, doch dieser war nicht einsatzbereit. So konnte Osterath ohne Kämpfe eingenommen werden. Nach der Einnahme von Osterath zogen die Alliierten weiter in Richtung Strümp und Büderich. Am 3. März war Meerbusch fast vollständig unter alliierter Kontrolle.

Die Wände der Stadtbibliothek waren von eindrucksvollen, großformatigen Bildern dekoriert, die das Grauen des Krieges auf eine erschütternde Weise darstellten. Zerstörte Häuser, tief in den Boden gerissene Bombenkrater und andere Szenen der Verwüstung ließen das Publikum in eine Zeit der Angst und Verzweiflung eintauchen. Diese Bilder vermittelten nicht nur die schreckliche Realität, sondern ermöglichten es den Anwesenden auch, die Erzählungen von Herrn Dr. Kunze und der Zeitzeugen auf eine fast greifbare Weise nachzuvollziehen und sich die entsetzlichen Erlebnisse lebendig vorzustellen.

Im Anschluss daran begannen die drei Zeitzeugen ihre Erzählungen zu den Themen:
1. Was waren Ihre persönlichen Kriegserlebnisse?
2. Wie haben Sie das Kriegsende erlebt?
3. Wie haben Sie die Nachkriegszeit erlebt?
4. Welche Lehren sollten wir aus der Geschichte ziehen?

Sigrid Müller-Emsters und Felix Drewes, als Vertreter des Meerbuscher Kulturkreises, moderierten die Podiumsdiskussion mit viel Einfühlungsvermögen und Expertise, indem sie den Zeitzeugen Raum gaben, ihre Erlebnisse zu teilen.

Ingrid Kuntze

Frau Ingrid Kuntze wuchs in Büderich als Tochter des Künstler-Ehepaares Gestermann auf; der Vater Hans Paul Gestermann war Diplomvolkswirt und Maler, ihre Mutter Anneliese Gestermann Musikerin. Sie erinnert sich noch genau an den Bomben-Alarm und das Rennen in den eigenen Keller oder auch den nahegelegenen Luftschutzbunker. Von dort aus konnte sie das das brennende Düsseldorf sehen. Heute ist uns Frau Kuntze als Musikerin und Musikpädagogin bekannt. Unter ihrer Leitung entwickelte sich die Städtische Musikschule Meerbusch zu einer der innovativsten Musikschulen Deutschlands. Sie lebt in Meerbusch-Osterath.

Eines der eindrucksvollsten Erlebnisse teilte Ingrid Kuntze, die sich an das Einrücken der amerikanischen Truppen in Büderich am 2. März 1945 erinnerte. „Wir gingen auf die Straße, um den ersten Jeep zu sehen – ein Fahrzeug, das ich vorher noch nie gesehen hatte“, erzählte sie. Doch das Wort „Befreiung“ sei damals von den Menschen nicht verwendet worden. „Wir waren einfach erleichtert, dass der Krieg vorbei war und dass wir noch am Leben waren“, sagte Kuntze. Es sei eine Zeit der Erleichterung gewesen, auch weil man wieder mit entfernten Verwandten Kontakt aufnehmen konnte, von denen lange nichts zu hören war.

Hedwig von Bülow

Frau Hedwig von Bülow ist in Neumünster in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Sie besuchte dort das Lyceum, das durch Bomben stark beschädigt worden war und insbesondere durch den Mangel an Brennmaterial nicht beheizt werden konnte. Bei der ersten Bombardierung von Neumünster saß sie gerade in der Küche, als sie sah, dass ein Bombenflugzeug am Fenster vorbeiflog. Heute ist uns Frau von Bülow, die in einem späteren Lebensabschnitt Niederlandistik studierte als Übersetzerin von Kinder- und Jugendliteratur aus dem Niederländischen ins Deutsche bekannt. Sie lebt in Meerbusch-Strümp.

Hedwig von Bülow äußerte ihre Besorgnis über das zunehmende Desinteresse junger Menschen an historischen Themen. „Es ist wichtig, dass die heutige Generation sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt, um Fehler der Geschichte nicht zu wiederholen“, sagte sie. Besonders in Bezug auf den populistischen Aufschwung der Gegenwart betonte sie die Notwendigkeit einer frühzeitigen Erziehung zu Respekt und Mitgefühl.
Weiterhin berichtete sie von der Nachkriegszeit, die von Entbehrungen und Herausforderungen geprägt gewesen war. , berichtete von Bülow, die die Flüchtlingsströme in Schleswig-Holstein miterlebte. „Die Flüchtlinge kamen ohne Besitz und mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen leben“, sagte sie und fügte hinzu: „Es gab damals keine helfenden Hände, da auch die westlichen Regionen betroffen waren.“

Ernst Jürgen Kratz

Ernst Jürgen Kratz, ehemaliger Vorsitzenden und jetzt Ehrenmitglied des Meerbuscher Kulturkreises. Herr Kratz wurde 1935 in Düsseldorf geboren. Während des Krieges lebte die Familie in verschiedenen Städten. Die Kriegsereignisse erlaubten ihm keinen geregelten Schulbesuch. 1944 wurde er krankheitsbedingt in ein Sanatorium nach Davos in die Schweiz geschickt. Dort entfiel der Schulbesuch völlig. Ab diesem Zeitpunkt war er für 4 ½ Jahre von seinen Eltern getrennt. Ernst Jürgen Kratz war Vizepräsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Bemerkenswert ist nicht nur seine juristische Laufbahn. Herr Kratz war auch künstlerisch tätig. Anlässlich seine 90 Geburtstags zeigt das Oberlandesgericht im Juli eine Ausstellung seiner Kunstwerke. Er lebt in Meerbusch-Strümp.

Ernst Jürgen Kratz schilderte seine Kriegserfahrungen, die in seiner Kindheit begannen. „Ich erinnere mich noch gut an die Reichskristallnacht, als ich als kleiner Junge vom Fenster aus sah, wie Möbel auf die Straße geworfen wurden“, erzählte er. Diese schrecklichen Bilder, gepaart mit den Erlebnissen der Luftangriffe, hätten ihn geprägt. „Es sind Erinnerungen, die wieder aufkommen, besonders wenn man die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine verfolgt“, fügte Kratz nachdenklich hinzu. Trotz der schlimmen Kriegserfahrungen bezeichnet sich Ernst Jürgen Kratz als „Glückskind“, was das Publikum tief beeindruckte.

Alle drei Zeitzeugen leben in Meerbusch, haben den Krieg, das Kriegsende und die Nachkriegszeit jedoch an ganz unterschiedlichen Orten erlebt und darüber anschaulich bewegend berichtet. Wie bedeutend diese Erinnerungskultur ist, zeigte sich auch an der sehr gut besuchten Veranstaltung. Ein wichtiges Fazit dieser Veranstaltung ist es, Wege zu finden zukünftig auch Jugendliche für dieses Erinnern und dem Entgegenwirken des Einflusses des Populismus zu gewinnen.

Erinnern, zuhören und verstehen – diese Werte sind von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, aus der Vergangenheit zu lernen. Es geht nicht nur darum, die Schrecken des Krieges zu reflektieren, sondern auch darum, die Wichtigkeit eines respektvollen und friedlichen Miteinanders in der heutigen Gesellschaft zu betonen. Mehrfach wurde klargestellt: Es geht nicht um "Schuld", sondern es geht um "Verantwortung". Eine Verantwortung, die wir alle tragen, um sicherzustellen, dass sich solche Tragödien niemals wiederholen. Die Veranstaltung hat einmal mehr verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass wir diese Geschichten weitertragen und gerade in Zeiten wachsender politischer Spannungen die Bedeutung von Demokratie und Menschenrechten verteidigen. Es liegt an uns allen, die Lehren aus der Geschichte zu bewahren und aktiv an einer Zukunft ohne Hass und Intoleranz zu arbeiten.

Sigrid Müller-Emsters
Monika Zehmisch