Kulturkreis Meerbusch

Sonntag, 24. Oktober 2021 18:30

Geführter Spaziergang durch Kaiserswerth und die Kaiserpfalz am 21.09.2021

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Nach sieben Jahren besuchte der Meerbuscher Kulturkreis mit 16 Teilnehmern wieder einmal  den Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth, der sicherlich zu den ältesten, historischsten und schönsten Ortsteilen zählt.

Der Name Kaiserswerth leitet sich aus dem mittelhochdeutschen Wort werth für Insel her. Er bedeutet somit Kaiserinsel bzw. Insel des Kaisers. Die beeindruckende Ruine der Kaiserpfalz Friedrich Barbarossas geht auf eine Klostergründung des Mönchs Suitbertus um 700 zurück. 1174 ließ Kaiser Friedrich Barbarossa die Pfalz zu einer mächtigen Festung ausbauen und verlegte den Rheinzoll vom holländischen Tiel nach Kaiserswerth. Die Geschichte Kaiserswerths blieb weiterhin eine recht bewegte. Der mittelalterlichen Blütezeit reicher Zolleinnahmen folgten bis in die Neuzeit immer wieder Belagerungen, Verpfändung, Zerstörungen und schwere Rheinhochwasser. 1702, während des Spanischen Erbfolgekriege, stellte sich der Kölner Kurfürst Joseph Clemens wieder auf die Seite Frankreichs und machte sich so den Herzog von Jülich-Berg, Johann Wilhelm II, auch Jan Wellem genannt, seines Zeichens Kurfürst von der Pfalz, zum Feind. Im Frühjahr kam es zur Belagerung durch Truppen Brandenburgs, der Niederlande und Englands, die Kaiserswerth einnahmen. 12.000 Kanonenschüsse hatten ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Beinahe alle Häuser in der Stadt waren zerstört. Durch den Frieden von Rastatt aber fiel Kaiserswerth 1714 wieder an das Kurfürstentum Köln zurück. Doch schon im 18. Jahrhundert wurde Kaiserswerth wieder von Kurfürst Karl Theodor zurückgekauft. 1929 wurde Kaiserswerth nach Düsseldorf eingemeindet. Im Jahr 1982 wurde die Anlage in die Denkmalliste der Stadt eingetragen und steht seitdem unter Denkmalschutz.

Der Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth ist immer einen Besuch wert!  Es ist beeindruckend, durch die Straßen und engen Gassen zu laufen. Überall entdeckt man historische Plätze und Gebäude wie den wunderschönen Stiftsplatz um die Suitbertus-Basilika, in der in einem goldenen Schrein die Gebeine ihres Namenspatrons aufbewahrt werden; zurzeit allerdings zu Restaurierungsarbeiten ausgelagert. Die Gruppe wird von ihrer engagierten und sehr kompetenten Düsseldorfer Stadtführerin Brigitte Salem auf weitere Sehenswürdigkeiten hingewiesen, wie z.B. auf das Kapuzinerkloster, das Alte Zollhaus, den Jüdischen Friedhof (Stolpersteine), die ehemalige Stifts- und Stadtmühle, das ehemaligeFeuerwehrhaus „Am St. Swidbert“, das ehemalige St. Marienhospital, das sich an diesem Standort als eine der führenden Orthopädie-Kliniken einen Namen gemacht hatte, die Zukunft des Gebäudes aber jetzt nach dem Wegzug der Klinik ungewiss ist. Erwähnt werden muss hier auch unbedingt der Kaiserswerther Markt, dessen Barockfassaden den historischen Ortskern bilden. Die Straße erinnert ein wenig an eine niederländische Stadt. Neben einigen Geschäften, Cafés und Restaurants ist eine Adresse besonders herauszuheben: Es ist die Fassade eines im Jahre 1733 erbauten Hauses, heute ein kulinarischer Hotspot Düsseldorfs. Hier lädt bereits seit 1977 der Sternekoch Jean-Claude Bourgueil internationale Feinschmecker und regionale Kenner der Szene in sein Restaurant „Im Schiffchen“ ein. Auch wenn er sich entschlossen hat, kürzer zu treten, steht er trotzdem noch jeden Tag hinterm Herd. Er kann nicht loslassen!

Zum Schluss möchte ich noch zwei „berühmte Bäume“ erwähnen:

Die ca. 300 Jahre alte Blutbuche, die auf dem Grundstück des St. Marienstifts, einem Caritas Haus für Betreutes Wohnen, steht und ein ca. 200 Jahre alter Maulbeerbaum, der unter Naturdenkmalschutz steht.

Und dann ist da noch die Keimzelle der Diakonie, bekannt geworden durch den Pfarrer Theodor Fliedner (1800 – 1864). Über ihn und seine guten Taten haben wir so viel von unserer Stadtführerin erfahren, dass ich Seiten damit füllen könnte. Hier aber das Wesentliche: Fliedner war ein deutscher evangelischer Pastor, Sozialreformer und Gründer der Kaiserswerther Diakonie. Er gilt, gemeinsam mit seinen beiden Ehefrauen Friederike Münster (Eheschließung 1828) und Caroline Bertheau (Eheschließung 1843), als Erneuerer des apostolischen Diakonissenamtes. Seine Arbeit in der Krankenpflege war wegweisend für Florence Nightingale, die im Jahr 1850 einige Monate in Kaiserswerth verbrachte und eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolvierte. Fliedner hat für Kaiserswerth Unglaubliches geleistet: Er sammelte Spenden, um seiner armen Gemeinde einen Kirchen-, Schul- und Armenfond zu verschaffen. 1826 gründete Fliedner die „Rheinisch-Westfälische Gefängnisgesellschaft“ und engagierte sich für Reformen zur Verbesserung der Lebensumstände Inhaftierter. Unter seine Leitung entstand eine ökumenische Gefängnisseelsorge. Wiederum aus Spendengeldern gründete er 1833 ein Asyl für entlassene weibliche Strafgefangene, deren Vorsteherin seine erste Frau Friederike wurde. 1835 errichtete er eine Strickschule, 1836 eine Kleinkinderschule und ein Kleinkinder-Lehrerinnenseminar. Im selben Jahr gründete er eine „Bildungsanstalt für evangelische Pflegerinnen“, die für eine Verbesserung der pflegerischen Zustände der Patienten sorgen sollte. Unter seiner Ägide entstanden 1841 ein Seminar für Lehrerinnen sowie 1842 ein Waisenstift für Mädchen aus den mittleren Schichten. 1842 erwarb Fliedner das Haus in der Wallstraße, heute Fliednerstraße 16, und richtete dort Verwaltung der Diakonie ein und 1844 das Haus Nr. 20, was zeitweilig als Pfarrhaus diente, in dem er dann auch 1864 starb. 1852 gründete er in Kaiserswerth eine Heilanstalt für weibliche Gemütskranke.  Ein besonderes Highlight bescherte Brigitte Salem der Gruppe mit einem Besuch des Gartenhauses von Theodor Fliedner. Um das zu ermöglichen, hatte sie sich extra den Schlüssel vom Hausmeister besorgt. Die Teilnehmer waren begeistert von ihrem Engagement, um der Gruppe so viele  Informationen wie möglich über Fliedner nahezubringen! In diesem Gartenhaus hatte Fliedner damals die erste weibliche entlassene Strafgefangene untergebracht. Sie durfte dann auch dort bleiben, bekam Arbeit und konnte sich fortan selbst ernähren. Heute würde man Resozialisierungsprojekt dazu sagen. Dies half auch später noch vielen weiteren weiblichen Strafgefangenen, auf gleiche Weise unabhängig zu werden. Das Zauberwort hieß „Bildung“ mit dem Ziel von „Arbeit & Brot!“

Eine weitere historische Persönlichkeit für Kaiserswerth war der deutsche Jesuit Friedrich Spee. Er wurde berühmt als Kritiker der Hexenprozesse. Auf dem Stiftsplatz an der St. Suitbertus-Basilika ist ein Bronzerelief, gestaltet von Bert Gerresheim, dem bekannten Düsseldorfer Bildhauer, aufgestellt. Die Epithaph lautet: „Für Friedrich Spee – Jesuit – Kämpfer gegen die Hexenverfolgung (geboren 1591 in Kaiserswerth, gestorben 1635 in Trier).“

Nach einem über zweistündigen Rundgang durch Kaiserswerth waren die meisten Teilnehmer der Meinung, dass sie jetzt ein großes Stück Kuchen oder einen herzhaften Imbiss im „Café Schuster“ verdient hätten! Und so ließen sie diesen historischen Kulturtag gemütlich ausklingen. Und alle waren froh und glücklich, dass Corona uns keinen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, endlich mal wieder gemeinsam etwas zu erleben!

Hier an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an Brigitte Salem, die uns so viel von ihrem Wissen weitergegeben hat. Wir freuen uns auf weitere Begegnungen mit ihr.

Steffi Valentin

Gelesen 648 mal Letzte Änderung am Montag, 25. Oktober 2021 18:39

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