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Ausstellung
Tom Henderson
Reduktion auf das Wesentliche
Bethlehemkirche, Dietrich-Bonhoeffer Str. 9, Meerbusch-Büderich
vom 9. März - 28. April 2017

Am 31.3. findet um 11 Uhr eine Führung für Mitglieder des Meerbuscher Kulturkreises statt.

Der britische Künstler Tom Henderson liebt das Licht der Provence und die Flexibilität von Plexiglas. Zusammen mit Fräsen und Autolack fängt er das eine in seinen Arbeiten auf dem anderen ein.

Seine Arbeiten, hängen zwar flach an der Wand, aber Bilder sind es nicht. Sie changieren, flimmern, leuchten, sind da aber doch nicht greifbar, sie sind genau geplant und doch gehört der Zufall ganz klar mit zum Konzept. Alle Arbeiten sind so konzipiert, daß Sie erst wirklich funktionieren, wenn der Betrachter den richtigen Blickwinkel einnimmt. Eine schwarze Oberfläche kann vom richtigen Standpunkt aus gesehen ein vielschichtiges, super spannendes Objekt werden, das uns so viel erzählt darüber, wie alles letztlich eine Frage der Perspektive ist.

Tom Henderson wurde in London geboren und entdeckte seine Liebe zur bildenden Kunst in der Schule, wo der berühmte Keramik Künstler Gordon Baldwin ihn unterrichtete.

Nach der Schule studierte er Kunst an der University of Newcastle upon Tyne, wo er sich auf Bildhauerei spezialisierte. Sein Fokus lag schon damals darauf, Dinge, Objekte, Werke zu erschaffen, die den Betrachter proaktiv mit einbeziehen, die in ihrer Aussage sich aber ganz klar auf das beschränken, was wirklich wichtig ist und keine dekorativen extra Schleifen drehen. Zur gleichen Zeit legt Tom Henderson stets großen Wert darauf, daß jedes Kunstwerk in sich ästhetisch schön und ansprechend ist. Hässliche Kunst interessiert ihn nicht, seine Kunst kann eher als poetischer Minimalismus beschrieben werden.

All seinen Arbeiten liegt Bewegung zu Grunde. Bewegung entweder in der zerkratzten Oberfläche die wie Moireestoff changiert, oder in den geschnittenen Plexiglas Arbeiten, deren Kanten vor dem Zusammensetzen eine andere Farbe bekommen haben. Oder aber es ist die Bewegung des Betrachters zum richtigen Standpunkt, der dem Kunstwerk sein Leben einhaucht.

Tom Henderson ist immer schon fasziniert gewesen von den Materialien, mit denen er arbeitet und versucht deren ganze Möglichkeiten mit ein zu beziehen, spielt mit ihren verschiedenen Qualitäten.

Plexiglas liebt er, weil es durchsichtig ist und damit von allen Seiten bearbeitet werden kann. Zur gleichen Zeit ist es super stabil, das heißt es braucht keinen zusätzlichen Rahmen um gestützt zu werden. Es hängt wie ein Bild flach an der Wand, aber da es doch eine gewisse Tiefe hat ist jede Arbeit eher ein 3-dimensionales Objekt, als eine 2-dimensionale Leinwand. Plexiglas kann man bemalen, zerkratzen, durchbohren, es lässt alles mit sich machen.

Tom Henderson hat nach seinem Studium viele Jahre in London gelebt und nach einer kreativen Pause 2003 wieder angefangen seiner Liebe zum künstlerischen Schaffen nach zu gehen.

2009 kam dann der Umzug mit Familie nach Südfrankreich, wo er sich seitdem ganz seiner Kunst widmet.

Tom Henderson kreiert aber nicht einfach nur Objekte – seinen Werken liegt stets ein Konzept, eine Idee zu Grunde, die in mehreren Variationen von ihm durchdekliniert werden, bis er zu ihrer Essenz vorgedrungen ist. Seine Umwelt spielt dabei meistens die Rolle der Muse.

Für die Ausstellung in der Bethlehem Kirche hat er sich von dem Thema der Reformation inspirieren lassen. So ist sein Triptychon eine Interpretation der Spaltung des Glaubens in katholisch und evangelisch, so wie wir es heute kennen. Jeder Teil des Tryptichs stellt ein Kreuz da, wie auf Golgatha, wo Christus gekreuzigt wurde. Die Kreuze haben alle jeweils eine klare Mittelachse, zu deren Seite jeweils farbige Felder angeordnet sind. Was auf den ersten Blick unterschiedlich erscheint, stellt sich beim genauen Hinsehen als Volumens technisch vollkommen ausgewogen da. Die Summe der Teile ist die gleiche, nur anders arrangiert – damit greift er den Wunsch Luthers, die Kirche zu reformieren, nicht aber sie zu spalten, explizit auf. Ebenfalls sind die Kreuze in milden, weichen Farben gehalten, ein Hinweis darauf, daß Luther die Kirche mit Wort und Logik, mit Feder & Argumentation verändern wollte, nicht mit Gewalt und Blut.

In den Arbeiten The Club of Squares geht es um das menschliche Handeln, und wie aus der Summe handgezogener Linien perfekte Quadrate werden können. Wie viele, das kann der Künstler nicht vorhersagen, aber sie prägen am Ende das Erscheinungsbild des ganzen Kunstwerkes. Dies spiegelt für ihn, daß das menschliche Tun, egal wie genau geplant und umgesetzt, nur mit Hilfe des Zufalls seine endgültige Form erhält.

Die Gruppe der Plexiglas Arbeiten in a Landscape und Distant Hills, reduziert wie Mondrian die wahrgenommene Landschaft auf ihre farbliche Essenz und den Rhythmus, in dem sich diese abwechseln. Und auch wenn diese Arbeiten sehr abstrakt anmuten, so kann man dennoch eindeutig ihren Kern erfassen und verstehen. Die Wahrheit, dass was wichtig ist, bleibt somit am Ende für alle sichtbar.

Die großen Holzarbeiten not everyone sees it spielen mit der aus der Renaissance bekannten Idee der verzerrten Perspektive. Holbeins ‚die Botschafter’ zeigt im Hintergrund ein verzerrtes graues Objekt, daß sich nur von dem richtigen Standpunkt aus als Totenkopf erkennen lässt. Sie ist es hier auch, nur der Betrachter, der sich bewegt, sieht auf einmal die leuchtenden Vertiefungen, die eine Strahlkraft bis zum anderen Ende des Raumes haben. Sprich, auf Luther bezogen, wenn man erstmal die Wahrheit seiner Ideen verstanden hat, leuchten Sie wie strahlende Lichter in einer düsteren Welt. Interessant ist, daß das Sperrholz vom Künstler in Tinte getränkt wurde. Dies ist eine Anspielung auf die Legende, daß Luther den Teufel, der ihn auf der Wartburg des Öfteren bedrängte, mit dem beherzten Wurf eines Tintenfasses vertrieben hat. In Wahrheit spielt diese Legend wohl auf die Tatsache an, daß Luther durch die Übersetzung der Bibel ins Deutsche die Angst der Christen vor dem Fegefeuer und dem florierenden Ablasshandel den Gar ausmachte. Es gibt aber noch eine spanende weitere Facette dieser arbeiten. Steht der Betrachter am richtigen Platz, wird er selbst das Subjekt des Bildes, reflektiert von jeder Vertiefung. Die Referenz zu Martin Luther besteht darin, daß er die deutungshoheit der Kirche durch die Bibelübersetzung abgeschafft hat und selber predigte, daß jeder sein eigener Priester sein könnte, selbst zum Interpreten Gottes Wort werden kann.

Crossroads ist technisch äußerst anspruchsvoll, von vorne und von hinten bearbeitet und bemalt stellt es visuell da, was wir heute wohl als Ökumene begreifen könnten. Zwei Strömungen, in sich nicht wirklich unterschiedlich, doch mit unterschiedlicher Ausrichtung, so daß sie sich zwar überschneiden, eine spannende Schnittmenge ergeben, aber dennoch intakt und separat ihren Weg fortsetzen.

Sapin liegt die gleiche aufwendige Technik des Schraffierens und Bemalens zu Grunde, wie bei Crossroads. Hier jedoch ist das Symbol, daß die ganze Welt mit dem Christentum und dessen Traditionen erkennt und als friedlich versteht, ja oft in die eigenen Fest mit integriert, dargestellt. Sapin ist die ästhetisch vollendete Reduktion eines Weihnachtsbaums und der Farben, die seit Coca-Cola für Weihnachten stehen, weiß und rot.

Wall / Wand ist eine Serie, die sich mit dem Phänomen der Barrieren in unserem Leben aber auch in unserem Kopf beschäftigt. Je nachdem wo man steht, kann die Mauer unendlich hoch, unendlich lang oder dann auch gar nicht so schlimm und überwindbar wirken. Dies hängt natürlich wieder mit unserer Wahrnehmung des Kunstwerkes und der Position, die wir davor beziehen zusammen. Es ist das, was wir aus Hindernissen machen, dass ihre Größe und Ausmaß bestimmt. Genauso wie im Falle der Reformation, wo Luther zunächst als absoluter Störenfried gesehen wurde und so die Allmacht der katholischen Kirche wie eine Fußangel zum Stolpern brachte.

Die Arbeiten Impermanence und Alibi spielen mit unserer Wahrnehmung und Auffassung des vermeintlich Gesehenen. Die Arbeit ist zweigeteilt und jede Hälfte ist unterschiedlich bearbeitet worden. Die scheinbar bemalte Seite wurde vom Künstler tatsächlich nur geritzt, die andere bemalt. Es geht darum, was wir meinen zu sehen, was wirklich da ist und wie unser Eindruck, von dem was wir meinen gesehen zu haben, dass was wir tun beeinflusst, ja glatt entschuldigt. Die meisten Dinge zeigen erst bei genauerer Betrachtung, wenn wir bereit sind unsere Vorurteile zurück zu lassen und offen dem neuen entgegen zu treten, ihre wahre Beschaffenheit und Aussage. Die Farben Rot uns weiß spielen außerdem auf Unschuld und Blutvergießen, die Farben der katholischen Kardinäle an, und sind so voller Referenzen auf die Konflikte der Reformation.

Vieles von Dem, was Tom Henderson in seiner auf den ersten Blick einfach nur wunderbar zurückgenommenen Kunst ausdrückt, ist nicht nur voller Referenzen zu Konflikten und vorschnellen Urteilen, es ist auch voller Humor. Und das war bekanntlich Luthers liebstes Mittel gegen den Teufel.

Isabelle Rundstedt, Kuratorin

Februar 2017

 

 

 

 

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